Stimmdesign in der transsexuellen Stimmtherapie (Mann zu Frau)


Wir können uns als Therapeuten in viele Probleme hineindenken und hineinfühlen. Dabei geht es gar nicht darum schon mal auch nur ansatzweise selbst betroffen gewesen zu sein, vielmehr geht es um die Möglichkeit einer eher mentalen Identifikation ob bewusst oder unbewusst. Es geht häufig auch um ein Verständnis der Problematik. Bei einem Knötchen oder einer Recurrensparese oder bei einem hypofunktionell bedingten Spalt steht die Notwendigkeit zu helfen, eine Behandlung zukommen zu lassen überhaupt nicht in Frage. Doch wie geht es Ihnen beim Thema Stimmtherapie (oder vielleicht sogar Stimmdesign) mit Transsexuellen? Meine ersten beruflichen Erfahrungen waren eindeutig von Berührungsängsten (auf beiden Seiten!), Unsicherheit im gegenseitigen Umgang aber auch von der fachlichen Frage geprägt: wie kann ich einem Menschen mit dieser Thematik helfen? Alles das waren Faktoren, die eine Hemmschwelle aufbauen, die die Arbeit nicht gerade einfacher machen.
Wenn es gelingt diese Hemmschwelle durch einen kleinen Einblick in die stimmphysiologische und stimmpsychologische Thematik etwas zu reduzieren hat der Autor sein Ziel erreicht.

Die „Transmotion“ der Stimme im Prozess des „transgender“, also die Verwandlung der Stimme vom einen zum anderen Geschlecht ist ein Prozess der Veränderung, die häufig mit der emotionalen und körperlichen Entwicklung, einer Umorientierung nicht Schritt hält. Das bedeutet für die betreffende Person häufig nicht nur einen permanenten Leidensdruck, Unzufriedenheit mit dem Stimmklang und der Sprechstimmlage sondern häufig auch eine Orientierungslosigkeit was die Identifikation und den Umgang mit der Stimme angeht. Schaut man genauer hin – eigentlich muss man sagen: hört man genauer hin, so zeigt sich, dass eine teilweise Transmotion der Stimme fast immer schon versteckt stattgefunden hat. Die Umorientierung auch der Stimme ist ein teils bewusster, teils unbewusster Prozess, der aber nicht zuletzt durch die Konfliktbeladenheit des Themas in unserer Gesellschaft selten offen und konsequent und dadurch nicht in jeder Phase der Identifikation ökonomisch verlaufen kann. Das ist sicher nur einer von mehreren Gründen, warum die stimmliche Identifikation häufig in der Konsequenz ihrer Transmotion nicht mit der Entwicklung anderer Subsysteme unserer menschlichen Existenz synchron verläuft. Ein anderer Grund liegt in dem individuell teils sehr differierenden Frauenbild der als Mann Geborenen.
Auf der rein bewegungsphysiologischen Ebene besteht das Hauptproblem darin dass die interne Koordination der Kehlkopfmuskeln, die dominant für die Veränderung des männlich-weiblichen Stimmklanges und der mittleren Sprechstimmlage verantwortlich zeichnen, nicht direkt, und dadurch nur durch äußere Kompensationsmechanismen erreichbar sind. Dadurch sind vor allem die bewussten Transmotionsversuche in der Regel eher aufwendige, ineffiziente Muster der Stimmgebung und damit oft erst durch die sekundär auftretenden Stimmprobleme therapiebedürftig.

Gerade bei der Arbeit an der transsexuellen Stimme ist die Definition des Begriffes Therapie von besonderer Bedeutung. Wenn wir diesen Begriff als eine Begleitung, ein Miteinander verstehen, wenn wir als Therapeuten uns in einer dienenden Rolle verstehen im ursprünglichen Sinn des Begriffes  = dienen, Gefährte sein, begleiten, helfen), dann wird auch klar, dass es sich bei der Arbeit mit der transsexuellen Stimme um das Vermitteln neuer stimmlicher Erfahrungen handelt und nicht um Therapieren im Sinne von Heilen. Gerade für den/die Transsexuelle(n) ist diese Erfahrung sowohl für das Selbstverständnis als auch für die Bewertung der eigenen stimmlichen Erfahrungen von unschätzbarem Wert. Es nimmt den Krankenstatus. Mit einer logopädischen Therapie verbinden sich zwangsläufig Attribute wie therapeutische Praxis, Arztbesuch, Untersuchungen, Behandlungen, Krankheit, Krankenkasse, Überweisungen, Krankenscheine...Um so wichtiger ist es in diesem Zusammenhang von einer anderen Form der Therapie zu sprechen und sie erfahrbar zu machen?! Für den Patienten – oder sollten wir lieber sagen für die Klientin? – kann es eine neue, befreiende Erfahrung sein die Therapie als einen Ort des Neulernens mit der Hilfe des Therapeuten und nicht der Heilung, der Behandlung zu erleben.

Geht man in der physikalischen Beschreibung der stimmlichen Parameter auf den ersten, offensichtlichsten Unterschied zwischen der männlichen und der weiblichen Stimme ein, so ist sicher die Tonhöhe, also die Sprechstimmlage das deutlichste Merkmal und häufig auch die zunächst schwierigste Hürde in der Umorientierung.
Bei einem Saiteninstrument habe ich zwei verschiedene Möglichkeiten die Tonhöhe nach oben zu verändern. Ich kann die Saitenlänge reduzieren oder ich kann die Spannung erhöhen.

Die Medizin hat nun je eine Möglichkeit gefunden die Sprechstimmlage quasi von außen zu erhöhen.
a) Die eine Möglichkeit ist die operative Verkürzung des lig.cricothyroideum medianum. Es führt zu einer deutlichen Spannungserhöhung des Stimmbandes über eine Winkelveränderung zwischen dem Ring- und dem Schildknorpel.
b) Die andere Möglichkeit ist auch ein operativer Eingriff. Im vorderen Bereich der Glottis werden einige Millimeter der Stimmbänder zusammengenäht. Diese Methode entspricht der Verkürzung der schwingenden Saite. Auch dadurch wird die Sprechstimmlage wesentlich erhöht.

In der Stimmtherapie der transsexuellen Stimme (Mann zu Frau) ohne Operation geht es zunächst darum die Longitudinalspannung der Stimmlippen zu erhöhen. In Bezug auf den Tonhöhen-Antagonismus c.t.-vocalis bedeutet das eine Verschiebung der Spannungsdominanz zugunsten des äußeren Stimmlippenspanners m.cricothyroideum. Das bedeutet allerdings nicht nur – und das ist in der Therapie ein ganz entscheidender Gesichtspunkt - die von Geburt an männliche Stimme wechselt in die Kopfstimme und wird damit zur weiblichen Stimme. Das allein wirkt unecht, nicht überzeugend, lächerlich...

Doch zunächst ist da die Tonhöhendifferenz, die „andere mittlere Sprechstimmlage“. Sie liegt bei der Frau ca. eine Oktav, also 12 Halbtöne, höher als beim Mann. Bei einem Saiteninstrument ist die Voraussetzung für einen Ton, der auf der gleichen Saite (entspricht: mit den gleichen Stimmbändern) produziert wird, die Halbierung der Saitenlänge. Verkürze ich auf der Gitarre die Saite auf die Hälfte, also am zwölften Bund bekomme ich die Oktav. Bei der Stimme ist das etwas anders. Nicht die Saitenverkürzung ist das entscheidende sondern die Spannungserhöhung. Das Stimmband – die gesamte Stimmlippe incl. m.thyroarytenoideus internus (vocalis) wird gespannt und dadurch sogar in der Tonerhöhung verlängert.
Also: höherer Ton = gespanntere, längere Stimmlippe
Die Spannung ist im Fall der Phonation also so wichtig, so dominant für die glottalinterne Organisation, dass sie die Verlängerung, die bei einfachem mechanoakustischem Denken für einen tieferen Ton sprechen würde, kompensiert und gleichzeitig noch die Tonhöhe / Sprechstimmlage erhöht.
Wie wird nun diese Spannung organisiert?
Würde es sich bei der Stimmlippe nur um das Stimmband handeln, wäre das Mittel der Wahl eine Spannungserhöhung, die rein mechanisch bei einer Vervierfachung (bei einer Oktav) liegen würde. Eine leistungsfähige, physiologisch organisierte Singstimme würde demnach, rechnet man die „Saitenverlängerung“ des Stimmbandes, die auch noch kompensiert werden muss, hinzu mit der 25-40-fachen Spannung der Sprechstimmspannung singen, wenn es in die oberste Oktav geht. Das ist rein anatomisch nicht möglich.
Hier können nicht alle Aspekte der Registerarbeit um die es sich in diesem speziellen Fall der Stimmarbeit auch handelt, berücksichtigt werden. Das würde den Rahmen dieses Aufsatzes sprengen. Hier für dieses Thema nur die wichtigsten Aspekte:
Der Tonhöhenantagonismus c.t.-vocalis (Spannung-Masse) lebt in seiner Effizienz von der Souveränität des Nachgebens, quasi von der Qualität eines „Sich-dehnen-lassens“ ohne zu kollabieren. Das Kippen im Registerwechsel, was wir in der Pubertät als Männer stärker, als Frauen weniger oder gar nicht erlebt haben, was beim Jodeln zur eigentlichen Kunst hochstilisiert wird, ist so etwas ähnliches wie das Springen aus einer koordinierten Funktion in das vermeintliche Gegenteil. Wir kippen von der Bruststimme in die Kopfstimme. Ist diese Stimme, in die wir dann kippen, schwach, verhaucht, flach, von kurzer Tonhaltedauer, so ist es nicht wirklich die Kopfstimme sondern eine Dysfunktion, die im ursprünglichsten Sinne des Wortes ein Falsett (etymologisch betrachtet: falsche Stimme, medizinisch betrachtet: kranke Stimme, physiologisch betrachtet: kollabierte Funktion) ist.

Welche Faktoren, welche stimmlichen Parameter sind es nun, die außer der einfachen Mechanik der Tonhöhenorganisation ob operativ oder konservativ die männliche von der weiblichen Stimme unterscheiden?

Eine differenzierte, konservative Stimmtherapie setzt genau an dieser Stelle an. Aufgabe der Begleitung ist es eine Balance zu schaffen zwischen dem Festhalten an alten Mustern, also dem Machen einer weiblichen Stimme mit männlichen Mustern und dem Kollaps in eine Fehlfunktion. Dafür gibt es in der funktionalen Stimmarbeit viele spezielle Übungen, die einerseits die Spannungserhöhung über den m.cricothyroideus (c.t.) fördern andererseits aber auch die Souveränität im Nachgeben seines Antagonisten stärken. Eine solche Übung ist z.B. eine geführte Dehnungsbewegung im m.biceps brachii (Unterarmbeuger) in Verbindung mit Phonation, die über ein messa di voce (Schwellton) die Verbindung von dem vocalis-dominanten Vokal „a“ zum c.t.-dominaten Vokal „u“ erleichtert, und dadurch auf glottaler Ebene eine Umorientierung in Richtung einer weiblichen Organisation der glottalen Artikulation fördert. Ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer solchen Übung ist aber das Einbeziehen von sensibleren koordinierenden Faktoren, also von tieferen Muskelschichten sowohl im gesamten Körper als auch auf glottaler Ebene. Ganzkörperlich betrachtet liegen solche tieferen Schichten unterhalb der streckenden und beugenden Muskulatur, z.B. die Rotatoren. Sie zählen zu den sensibler und schützender stabilisierenden Muskelgruppen in der Bewegungsorganisation. Solche Muskelgruppen, die für diese differenziertere Organisation zuständig sind, befinden sich auch im Fußgewölbe, sowohl im Längs- als auch im Quergewölbe. Diese Muskeln sind, wenn sie z.B. nur über leichte Massage belebt werden, fähig auf glottaler Ebene den m.thyroarytenoideus lateralis (LTA) anzusprechen. Dieser Muskel als der tieferliegende Anteil der Stimmlippe wird in der Literatur durchgängig vernachlässigt, ist er doch der zentralste, der wichtigste Muskel für die gesunde weibliche Stimmorganisation. Erst durch seine Dominanz im Sinne einer leitenden, koordinierenden Funktion wird es dem Antagonismus zwischen c.t. und vocalis möglich wirklich „die Ufer zu wechseln“. Dieser Umstand, die Tatsache, dass zur sensiblen Koordination auf glottaler Ebene der m.thyroarytenoideus lateralis (LTA) gehört und nicht allein der m.thyroarytenoideus internus also der m.vocalis fähig ist eine leistungsfähige Stimme zu organisieren, ist nicht nur wichtig bei der Therapie der transsexuellen Stimme sondern vor allen Dingen auch zentraler Bestandteil in der funktionalen Ausbildung leistungsfähiger Singstimmen - in ganz besonderem Maße zentraler Gedanke in der Ausbildung der höheren Stimmfächer sie Sopran und Tenor. Der LTA ist, solange er leitende Funktion hat, so etwas wie die Lebensversicherung für eine gesunde leistungsfähige Stimmfunktion, die autonom für sich selbst sorgt.
Übungen im Zusammenhang mit der Erweckung dieses lateralen Stimmlippenmuskels sind vor allen Dingen dehnende Bewegungen nach lateral, Dehnung des m.biceps brachii bei gleichzeitiger Rotation in die Supination, sanfte Massage der Kleinfingerseite des Unterarms bis hin zum lateralen Anteil der Kleinfingerkuppe, leichte, sanfte Dehnung der häufig „männlich kontrahierten“ Halspartie mit Dehnungsübungen im Zungengrundbereich bei Aufmerksamkeitslenkung auf die Zungenschleimhaut, Artikulationsübungen von „a“ zu „i“ über fließende Vokalreihen wie z.B. „a-ä-e-i“ in Verbindung mit Phonation bei gleichmäßig fließender Luft. Subziel in dieser Phase der Therapie ist die Arbeit am und mit dem Vokal „i“. Er ist in diesem Zusammenhang der günstigste, der effizienteste Koordinator zwischen den bruststimmorientierenden a-Lauten und den kopfstimmorientierenden u-Lauten, zwischen dem vocalis und dem c.t. Auf ganzkörperlicher Ebene entsprechend sind die tieferen Muskelschichten, also z.B. die Rotatoren die sensibler differenzierenden, koordinierenden Muskeln, die die Fähigkeit besitzen effizientere Muster zwischen den Beugern und Streckern zu initiieren. Bei den zahlreichen Übungen aus der funktionalen Stimmarbeit braucht man gerade bei der TS-Stimmtherapie viel Geduld und genaues Hinschauen, Hinhören, Hinfühlen sowohl von Seiten der Patientin als auch von therapeutischer Seite. Zu groß und leider auch viel zu unbewusst ist die Versuchung aus der Ungeduld heraus mit männlichen Mustern eine weibliche Stimme zu produzieren.

Die funktionale Stimmarbeit nach der Operation (Verkürzung des lig.cricothyroideum medianum) hat zunächst mal zu akzeptieren, dass das Thema Spannungserhöhung von außen ohne eigenes muskuläres Umlernen erledigt worden ist. Noch wichtiger als in der Recurrensparese ist hier eine an die OP direkt anschließende Stimmtherapie, verlernen doch manche Muskeln, wenn sie nur für kurze Zeit nicht mehr gebraucht werden, ihre Aufgabe zu erfüllen. Von der celebralen Seite aus betrachtet kann man umgangssprachlich sogar formulieren: sie vergessen ihre eigene Existenz. Je nach Grad der Verkürzung gibt es in der Stimmtherapie mehr oder weniger die Chance eine lebendige Stimmmelodie (Prosodie) wiederherzustellen. Ist das Ligamentum so weit verkürzt, dass Thyroid und Cricoid sich berührend aufeinander liegen, dann ist über den c.t. kaum noch Differenzierung in der Prosodie zu erwarten. Es werden Kompensationsmuster wie Erhöhung des subglottischen Luftdrucks für Tonhöhenveränderung in höheren Lagen in Kauf genommen. Die einzige Chance für eine effiziente Sprachmelodie, weg von einer monotonen, leisen, schwachen, hohen Stimme besteht in der Differenzierungsfähigkeit des m.thyroarytenoideus lateralis (LTA s.o.). Dieser hat allerdings, durch die OP bedingt, nur einen geringen Einfluss auf den Antagonismus c.t.-vocalis. Wichtig in der Stimmtherapie nach dieser Form der OP ist die Einbeziehung des c.t. in das Geschehen der glottalen Aktivitäten wenngleich er auch keine offensichtlich effektiven Aufgaben mehr hat. - Die einzige effektive Aufgabe, die er theoretisch ohne den Kollaps der Stimmfunktion noch haben könnte, ist in seiner Organisationsweise vergleichbar mit dem Pfeifregister der hohen Frauenstimme. Doch diese Funktion ist eher theoretischer Natur. Sie kommt extrem selten als leistungsfähige Stimmfunktion vor. In Verbindung mit Mutationsstimmstörungen (unvollständige Mutation) ist manchmal eine solche ausbaufähige Stimmorganisation anzutreffen. – Die organische Situation post op macht in Verbindung mit einem häufig auftretenden störenden Globusgefühl die Differenzierung in der Begleitung durch die Übungen nicht gerade leichter. Aber auch hier gibt es Übungen, die über Umwege die Muskulatur, die für die Effizienzregelung der künstlich erhöhten Stimme wichtig ist, aktivierend in das Geschehen mit einbeziehen. Dehnende (nicht streckende!) Bewegungen im Hals bei Phonation (Artikulation z.B. a-ä-e-i oder a-o-ö-ü) mit der Aufmerksamkeit nicht auf der aktiv streckenden sondern auf der sich passiv dehnenden Seite sind eine von mehreren Möglichkeiten einen Muskel, den c.t. dem durch die OP seine Arbeit abgenommen worden ist und dadurch in Gefahr ist zu atrophieren, zu revitalisieren. Wichtig dabei ist das Verhalten seines Antagonisten (vocalis) im Klanggeschehen zu beobachten. Erst wenn er wirklich anfängt souverän und nicht gezwungener Maßen in die Dehnung hinein nachzugeben kann es auch zu einer effizienten lebendigen c.t.-Kontraktion kommen. Genau diese Übung, die besonders schwer und aufgrund der OP und ihrer Narben an der Schwelle zum Schmerzhaften balanciert, ist in der sehr sanften Form besonders wirksam und kann als angenehm befreiend empfunden werden.

Die Verkürzung der effektiv schwingenden Stimmbänder ist die andere oben beschriebene Form der operativen Hilfe die Sprechstimmlage zu erhöhen. Dabei werden nicht die Stimmbänder verkürzt sondern im vorderen Anteil zusammengenäht sodass sich der frei schwingende Anteil, also quasi die Saitenlänge reduziert. Erfahrungsgemäß ist das erste Hauptproblem in der Therapie die Sensibilisierung für die Abduktionsbewegungen im Phonationsabsatz. Diese in ihrem vertretbaren Maße über sensibilisierende Übungen auszuloten bedarf einer sehr vorsichtigen, behutsamen Beobachtung von therapeutischer Seite. Übungen in diesem Zusammenhang sind vor allen Dingen rhythmischer Natur. Der Rhythmus, in dem geklatscht, geschnipst, gehechelt, gehüpft, gegriffen, mit Plosiven gearbeitet wird, ist mit dem Phonationseinsatz und mit dem Phonationsabsatz, der die neue Einatmung initiiert, zu synchronisieren. Gerade die Synchronisation, also das konsequent rhythmische Prinzip der Koordination ist auf der einen Seite das größte Problem der Klientinnen andererseits auch wieder die effektivste Übung. Die größte Angst der Klientinnen, bewusst und unbewusst, ist die Angst vor dem Aufreissen der Synechie. Dadurch ist die Abduktion, die bei vitalerer Einatmung größer ausfällt im Sinne einer Schutzhaltung mitunter extrem reduziert. Dadurch reduziert sich die Einatmung, sie ist gebremst und im Volumen reduziert. Einerseits ist es von der Klientin sehr intelligent die Bewegungen der Aryknorpel aus Sicherheitsgründen zu reduzieren, andererseits wird über diese Schutzhaltung eine massive Behinderung sämtlicher vitalen Bewegungen eingebaut. Den Bewegungsradius der Aryknorpel verantwortungsvoll wieder zu erweitern ist Aufgabe der Therapie. Dabei stellt sich die Frage: nach welchen Kriterien bemesse ich die vertretbare Öffnungsweite? Diese Frage kann nur indirekt beantwortet werden. Schutz muss sein! Aber! Die Bewegung kann auch ohne Haltungs-Bremse kleiner trainiert werden. Große (männliche) Stimmbänder brauchen große Ab- und Adduktionsbewegungen, kürzere (weibliche) Stimmbänder brauchen kleinere Ab- und Adduktionsbewegungen. Auch hier findet sich auf der rein bewegungsphysiologischen Seite ein Thema der stimmlichen Identifikation wieder, welches eingangs erwähnt wurde. In der Therapie bedeutet es zunächst neue, weibliche Bewegungsmuster auf glottaler Ebene und um dieser Ebene in ihrer Feinkoordination zu helfen auch ganzkörperlich kennenzulernen. Wichtig in diesem Zusammenhang ist die Akzeptanz dessen dass übergangsweise die Tonhaltedauer reduziert sein kann. Auch die übergangsweise „Leiseschwäche“ der Stimme (im Gegensatz zur Lautstärke!) ist wichtig akzeptiert zu werden. Eine Stimmkraft kann nur mit Geduld über den Weg kleinerer, nicht gebremster sondern eher weicherer Bewegungen, nicht nur in den Ab- und Adduktionsbewegungen erreicht werden. Diese entsprechen dann eher dem weiblichen Prinzip mit der Stimme umzugehen.

Zusammenfassend kann man sagen: Jede Klientin, die sich entschließt ohne OP den Weg zu einer weiblichen Stimme zu finden, hat funktionell gesehen zwar auf der ganzen Ebene mehr mit sich und ihrer Identifikation in der Umorientierung zu arbeiten dafür aber auch die Chance ganzheitlicher, authentischer quasi aus dem tiefsten Inneren heraus sich in jedem einzelnen Schritt der Umorientierung – dem transgender zu stellen.

Für uns als Begleitende ist eine konservative Therapie ohne vorangegangene Operation deshalb ein ganzheitlicher Weg, ein Weg der in besonderem Maße den Menschen in seiner Gesamtheit begleitet, eine Form der Therapie die dem Ursprung ihres Wortes  = dienen, begleiten, Gefährte sein, helfen) alle Ehre macht.